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Staatssicherheit
Repressalien
Gefängnisse

Der Alltag der DDR offenbarte täglich die systembedingten Unzulänglichkeiten, sei es bezüglich der politischen Zwangsgesinnung, der Mangelwirtschaft u.a.

Theoretisch war gemäß der Verfassung der DDR (ergänzte und überarbeitete Form von 1974) nach Abschnitt II, Kapitel 1, Artikel 27, Absatz 1 jedem Bürger das Recht gegeben, “den Grundsätzen dieser Verfassung gemäß seine Meinung frei und öffentlich zu äußern.” Weiter hieß es: “Niemand darf benachteiligt werden, wenn er von diesem Recht Gebrauch macht.” Absatz 2 lautete: “Die Freiheit der Presse, des Rundfunks und des Fernsehens ist gewährleistet.” In Abschnitt II, Kapitel 1, Artikel 28, Absatz 1 hieß es: “Alle Bürger haben das Recht, sich im Rahmen der Grundsätze und Ziele der Verfassung friedlich zu versammeln.”

siehe auch: einführende Informationen zu Aufgaben und Lenkung der Medien

Grundsatz der Verfassung laut Abschnitt I, Kapitel 1, Artikel 1 der Verfassung der DDR war die Wahrung des sozialistischen Gesellschaftssystems.

siehe auch: vollständiger Verfassungstext in der Fassung von 1974

Meinungsäußerung und Versammlungsfreiheit waren einerseits formal gestattet, andererseits konnte der Staat mit dem Argument, den Sozialismus zu schützen, eingreifen, um diese einzuschränken oder zu unterbinden. Diese Aufgabe übernahm die Staatssicherheit  (STASI). Es gab offizielle und inoffizielle Mitarbeiter. Inoffizielle Mitarbeiter  (IM) waren angeworbene Privatpersonen. Sie hatten bei öffentlichen Veranstaltungen und im Kontakt mit Einzelpersonen systemkritische Äußerungen und Handlungen zu melden.

Die Tätigkeit der STASI-Mitarbeiter konnte solche Ausmaße annehmen, daß sich Kollegen und Nachbarn als “Freunde” ausgaben und sogar Ehen mit den zu überwachenden Personen eingegangen wurden. Darüber hinaus kam es gelegentlich vor, daß sich die STASI sogar in die Familienplanung einmischte. In einem Gespräch wurde einem der “gute Rat” gegeben, sich von seinem Lebenspartner zu trennen, wenn dieser kein Parteimitglied war und als systemkritisch galt. Es konnte auch geschehen, daß einem die eigenen Kinder weggenommen wurden und sie in ein Heim kamen, in dem man sie “politisch korrekt” erzog.

siehe auch: Informationen zum Jugendwerkhof in Torgau*

Bespitzelung hatte für die Opfer meist Behinderung der Karriere, Verlust der Arbeit, soziale Isolation oder  Verhöre und Gefängnisstrafen zur Folge.

siehe auch: Zeitzeugenbericht von Rudolf Müller über seine Zeit im Untersuchungsgefängnis Berlin-Hohenschönhausen* auf unserer zugehörigen Website DDR-ZEITZEUGEN.DE

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Da man nie sicher sein konnte, ob seine Mitmenschen vertrauenswürdig waren, wurde selten außerhalb der eigenen vier Wände über politische, wirtschaftliche oder gesellschaftliche Themen gesprochen. Nur im engsten Familienkreis diskutierte man und machte dem alltäglichen Ärger Luft, daß es nachmittags wieder kein Brot zu kaufen gab oder daß der Kollege wegen seines Parteibuches befördert wurde.

Durch gebotenes Mißtrauen, Existenzangst und die schlechte Informationslage war es nur schwer möglich, politisch Gleichgesinnte zu finden und sich zu organisieren. Viele Bürger arrangierten sich deshalb  mit dem System.

Ausreiseantrag des Schauspielers und Sängers Manfred Krug, den er am 20.4.1977 stellte, nachdem er mit anderen Künstlern ein Protestschreiben gegen die Ausbürgerung Wolfgang Biermanns unterzeichnet hatte
Auszug:

”…Schmerzlich ist die durch solche Mittel erzielte Isolation. Erste Bekannte verzichten auf Besuche; bei der Auszahlung der Jahresendprämie wagten es in der DEFA unter Hundert noch fünf, mir die Hand zu geben; Eltern verbieten ihren Kindern, weiterhin mit meinen Kindern zu spielen; auf Parteiversammlungen wird gesagt, Krug spiele zwar Parteisekretär, führe aber das Leben eines Bourgeois, man müsse sich von solchen Leuten trennen; eine Berliner Staatsbürgerkundelehrerin sagt ihren Schülern, Schauspieler verkauften für Geld ihre Meinungen, insbesondere Krug sei ein Krimineller, der schon mehrmals im Gefängnis gesessen habe; einem befreundeten Bildhauer wird von Armeeoffizieren, seinen Auftraggebern, geraten, sich von mir zu distanzieren; Beamte stellen in der Nachbarschaft Recherchen darüber an, wen ich wann und wie oft besuche; auf einem Potsdamer Forum wird öffentlich geäußert, ich sei ein Staatsfeind und ein Verräter an der Arbeiterklasse. …”1

Auch Kinder lernten schnell von ihren Eltern oder durch Erlebnisse, wie sie sich in der Schule zu verhalten hatten.

Das Tragen von westlichen Kleidungsstücken oder das Mitbringen von westlichen Gegenständen, z.B. Plastiktüten, war unerwünscht. Jede Art von Unterhaltung über den Westen war riskant. Bevor sich Schulfreunde über den am Abend zuvor im Westfernsehen geguckten Spielfilm unterhielten, wurde darauf geachtet, daß weder Mitschüler noch Lehrer lauschten. Waren sie dennoch erwischt worden, konnte es passieren, daß sie zum Direktor gebracht und von diesem in einer ernsten Unterhaltung ausgefragt und zurecht gewiesen wurden. Auch im Unterricht, besonders in den Fächern Geschichte und Staatsbürgerkunde, mußte man darauf achten, nicht negativ aufzufallen.

Im Staatsbürgerkundeunterricht sollten die Kinder zum sozialistischen Bürger erzogen werden. Gezielt wurden die “Errungenschaften” des Sozialismus und die “ausbeuterischen” Strukturen des Kapitalismus gelehrt. Diskussionen, die für die Entwicklung zum eigenständig denkenden Menschen wichtig sind, wurden nicht geführt. Stattdessen wurden die Lehrsätze unreflektiert zur Niederschrift diktiert und anschließend in Leistungskontrollen abgefragt.

Im sozialistischen Sinne geformt, gingen die Kinder am Nachmittag nach Hause und wurden nicht selten mit den systemkritischen Äußerungen ihrer Eltern konfrontiert. Dann konnte es vorkommen, daß sie am nächsten Tag in der Schule ausplauderten, was sie daheim gehört hatten. Dies konnte den Ausschluß des Kindes aus der Pionierorganisation “Ernst Thälmann” und der Freien Deutschen Jugend  (FDJ) bedeuten. Da die Mitgliedschaft aber Voraussetzung für den Zugang zur Erweiterten Oberschule  (EOS) und zum Studium war, konnte ein Ausschluß aus den Massenorganisationen die spätere berufliche Laufbahn gefährden. Deshalb schlossen viele Eltern ihr Kind von heiklen Gesprächen aus.

 

Fußnoten:

1Judt, Matthias (Hg.), DDR-Geschichte in Dokumenten, Bonn 1998, S. 339f., nach: Krug, Manfred, Antrag auf Ausreise aus der DDR in die BRD, 20.04.1977, in: Krug,1996, S. 122-125.